emzero
Member
Die Qualität unseres Lebensmittels Nr. 1 nimmt immer mehr ab, einerseits durch allgemeine Verschmutzungen, wie z.B. Medikamentenrückstände etc., andererseits durch "clevere Zeitgenossen", die dem Wasser (aus welchen Motivationen auch immer) künstliche Substanzen zusetzen.
Insbes. die Aufphosphatierung zum Schutz des Leitungsnetztes ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Mode gekommen, und hier werden u.a. immer mehr sog. Polyphosphate zugesetzt, die (unabgekocht) generell gesundheitlich bedenklich sind (http://www.sw-augsburg.de/downloads/Phosphatdosierung.pdf), uns Aquarianer aber vor besondere Herausforderungen stellen.
Vorgeschichte
Seit meinem Umzug habe ich hier Geistererscheinungen in meinem Aquarium:
Seltsame Mangelerscheinungen, die sich mit den gemessenen bzw. errechneten Wasserwerten nicht erklären lassen, z.B. eingerollte Blattränder bei Hygrophila corymbosa, verdrehte Blätter bei Valisneria Spiralis, die eigentlich auf Calciummangel hindeuten würden, leicht fehlende Grünfärbung, die Eisenmangel vermuten liesse.
Besonders auffällig sind abrupte Wachstumsstockungen, mal bei der einen und mal bei der anderen Pflanze ohne irgendwelche Veränderungen am System und dass der sich in 20 Jahren in meinem Becken als extrem robust und anspruchlos erwiesene Javafarn innerhalb weniger Tage fast weggegammelt ist, als würde Kalium fehlen.
Ebenso unerklärlich ist plötzliches Auftauchen und Verschwinden div. Algen, und dass eine Grünalgenplage auf 2x wöchentl. je 45% mit kräftigem Wachstum reagiert hat, und erst durch drastische Reduzierung (Menge LW + Intervall) des WW zurück gegangen ist.
Ich führte die Erscheinungen also klar auf das Leitungswasser zurück. Hauptunterschied zum damaligen Wasser sind die höhere KH (5°->11,5°) und der Phosphatgehalt (0,2->2,0 mg/l).
Durch 50% UOW waren die meisten Werte dann dem früheren Wasser schon sehr ähnlich ... bis auf Phosphat.
Allerdings führte ich über den wöchentl WW gerade 0,22 mg/l (Gesamt-)Phosphat zu und habe ansonsten auf jede PO4-Zudüngung verzichtet. Hinzu kamen ja das Fischfutter und vermutl. Eisenphosphat-Ansammlungen im insbes. Bodengrund aus Zeiten ohne UOW und verstärktem WW (= verstärkter Phosphatzufuhr).
Der gemessene PO4-Wert lag dabei über Monate immer zw. ca. 0,5-0,7 mg/l
Schliesslich bin ich auf diesen Artikel (http://www.amazonas-alfeld.de/index_htm_files/Trinkwasser%20ist%20kein%20Aquariumwasser.PDF) gestossen und habe ich mich zwangsläufig mal mit dem Thema Polyphosphate auseinandergesetzt, und musste in Erfahrung bringen, dass die 2 mg/l Phosphat in meinem Leitungswasser fast 100% künstlich zugesetzt werden, und dass es zu 50% Polyphosphate sind.
Bei einer Karbonathärte von ca. 11,5 °dH wird hier von meinem Versorger das phosphatarme Ausgangswasser mit einem Pulver, einer Mischung aus Polyphospaht und Orthophosohat (="normales PO4") auf 2-2,5 mg/l Gesamtphosphat angehoben.
Der sehr informative Anruf bei meinem Wasserwerk ergab weiterhin, dass Polyphosphate bei kalkhaltigem Wasser heute standardmässig zugesetzt werden, um Leitungskorrosion zu verhindern (für moderne Kupfer- und Kunststoffleitungen aber nicht nötig - sogar kontraproduktiv).
Wer also stark kalkhaltiges Wasser hat, muss befürchten, dass Polyphosphate (meist vermutl. Natriumpolyphosphat) zugesetzt werden.
Generell weisen unsere LW normalerweise nur geringe Phosphatgehalte auf. Bei höheren Werten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass künstlich Phosphate zugesetzt werden.
Spätestens wenn die Analysen hohe Kalk- und Phosphatwerte gleichzeitig aufweisen, kann man vermutlich schon darauf wetten, dass auch Polyphosphate zugegeben werden.
Andere Aussagen im Web sagen übrigens das Gegenteil, dass Polyphosphate insbes. bei weichem Wasser eingesetzt werden.
(Aus)wirkung der Polyphosphate (PP)
Trotz endloser Web-Recherche habe ich hier kaum wirklich abgesicherte Fakten gefunden, so dass man das Folgende zumind. tw. als spekulativ bezeichnen muss:
1. PP "zerfallen" (chem. Reaktionen, unterstützt durch Bakterien) mit der Zeit zu gewöhnlichem Orthphosphat ("=PO4"). Lt. Angaben des Herstellers der Wasserzusätze bleiben sie ca. 6 Wochen stabil, und zerfallen ganz allmählich (also im Zeitraum von grob 4-8 Wochen nach Zugabe). Vermutungen gehen allerdings dahin, dass es im Aquarium durch entsprechende Bakterienpopulationsdichte schneller gehen kann.
Hierin liegt also schon ein erstes kleines Problem: Die völlig unkontrollierte Freiwerdung von PO4 im Aquarium.
2. Die Pflanzen sind nicht in der Lage, PP auszuschlüsseln und zu verstoffwechseln. Es gibt aber Vermutungen, dass Algen dazu ggf. in der Lage sind. Das einzige, was ich dazu allerdings gefunden habe, ist im Aufsatz von Kassebeer (9.) auf http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Phosphat1.htm - allerdings nur in Bezug auf Bakterien.
3. PP werden von den üblichen PO4-Tests normalerweise nicht erfasst. Wenn wir also nicht gezielt (Erhitzen s.o.) danach suchen, haben wir gar keine Ahnung, was in unserem Becken eigentlich los ist.
4. PP werden insbes. mit dem Zweck zugesetzt, Kalk in Bindung zu halten. Es ist davon auszugehen, dass Biogene Entkalkung damit verhindert wird und die Pflanzen (z.B. Vallisneria) sich nicht mehr am Hydrogencarbonat bedienen können. Ob damit ggf. generell auch die Calciumaufnahme der Pflanzen gestört wird, habe ich leider nicht herausfinden können.
5. PP werden auch zugesetzt, um SE (insbes. Eisen!) zu maskieren, so dass man es im Leitungswasser weder sieht noch schmeckt. Es ist zu befürchten, dass diese "Maskierung" auch die Aufnahme durch die Pflanzen hemmt, obwohl eigentlich genug Eisen im Wasser vorhanden wäre.
5. PP verhindern in Kupferleitungen die schützende Oxidschichtbildung, so dass sich mehr Kupfer-Ionen aus den Leitungen ins Wasser lösen können, welches auf Fische und Pflanzen in höherer Dosis toxisch wirkt.
Insbes. zu 4) und 5) möchte ich folgende Erläuterungen aus http://www.garnelenforum.de/board/threads/polyphosphate-im-leitungswasser-aquariumwasser.80988/ zitieren:
Woher weiss ich, ob ich Polyphosphate im Wasser habe?
Bei Verdacht erstmal beim Wasserwerk anfragen. Vorzugsweise schriftlich!
Aber mit einem Trick können wir den Polyphosphatanteil auch näherungsweise selbst ermitteln:
Verifizieren kann man das über unsere Tröpchentests, die Polyphosphate normalerweise nicht erfassen, indem man das Wasser kurzzeitig auf 70-80° C erhitzt (und wieder abkühlen lässt!). Dabei fallen die Polyphosphate zu PO4 aus, und können gemessen werden. So haben wir dann das Gesamtphosphat ermittelt.
Eine Messung mit Wasser direkt aus der Leitung (diese misst dann nur das Orthophosphat), sollte dann zu der erhitzten Probe niedrigere Werte anzeigen.
Die Differenz ist dann der Polyphosphat-Anteil.
Selbst habe ich es einmal probiert, hatte aber leider keinen Erfolg (ggf. nicht lang genug erhitzt?) mit dieser Methode.
Entfernen der Polyphosphate
Gerade im Pflanzbecken, in dem PO4 ja als Pflanzennährstoff benötigt wird, ist eine dauerhaft vollständige Phosphatentfernung nicht erwünscht. Da mir keine Systeme bekannt sind, die ausschliesslich Polyphosphate entfernen, bleiben wohl nur Methoden, Phosphate vollständig zu entfernen, und dann erwünschtes PO4 wieder zuzudüngen.
Also erstmal Thema "Entfernung sämtlichen Phosphats":
1. Umkehrosmose
Trotz tw. gegenteiliger Aussagen müsste UO die PP komplett entfernen, da UO eine mechanische Filterung ist, die schon Orthophosphate fast 100%ig entfernt. Somit sollten die grösseren Polyphosphat-Moleküle auf jeden Fall ausgefiltert werden
2. Ionentauscher
Hier kenne ich mich wenig aus, aber Tauscherharze sollen die PP auch komplett entfernen. Nachteil ist, dass dadurch im Austausch bei den meisten gängigen Systemen Natrium und insbes. Chlorid zugegeben wird.
3. Phosphatentferner
Hier gibt es offenbar mehrere Systeme:
a) Die meisten (wie z.B. JBL PhosEx rapid, amtra Phosphat reduct), arbeiten auf Basis schnelllöslicher Eisenverbindungen, die sich dann dann mit den Phosphaten zu Eisenphosphaten verbinden, und (im Filter/Bodengrund) als "Schlamm" ausfallen. Wird dieser "Schlamm" nicht entfernt, kann es aber jederzeit zu Rücklösungen kommen.
b) Die Arbeitsweise von sog Phosphat-Absorbern, wie z.B. JBL PhosEx ultra, habe ich leider nicht in Erfahrung bringen können. Eine diesbzgl. Anfrage bei JBL bliebt leider unbeantwortet, und der Beipackzettel gibt leider NICHTS preis, ausser, dass es zu leichter KH-Härte-Erhöhung kommen kann, was vermuten lässt, dass PhosEx ultra auf einem Ionentauscher-Prinzip basiert.
c) der Vollständigkeit halber sei auch Zeolith aufgeführt, welches u.a. ebenfalls Phosphate nach dem Ionentauscher-Prinzip bindet.
Die Frage, ob und welche dieser Phosphatentferner auch Polyphosphate binden/tauschen/entfernen, konnte ich leider nicht abschliessend klären.
Bei den Eisenphosphatbildnern (a) sieht es so aus, als würden diese nur mit Orthophosphat in Bindung gehen, und zu Zeolith habe ich leider null Informationen in Bezug auf PP gefunden.
Bzgl. JBL PhosEx ultra schreibt Ulla Blessin-Bosch von JBL auf http://www.petnews.de/petnewscenter/aquaristik-channel/suesswasser/4947-misst-der-jbl-phosphat-test-sensitiv-auch-versteckte-phosphate:
Meine Anfrage beim JBL-Support, u.a. bzgl. o.g. Zitats und der Arbeitsweise von JBL PhosEX ultra und JBL PhosEX rapid ergab leider nur folgende oberflächliche Antwort:
Hier werden also offenbar zwei völlig gegensätzliche Aussagen von JBL-Mitarbeitern gemacht, und die Bitte um weiterführende Informationen (Erklärung, Begründung) zur Belegung des Wahrheitsgehalts einer dieser Aussagen übergangen.
Was und wem soll man denn nun glauben??????
Ein Aquarium ist doch weder Kirche noch Moschee, oder?
Praktischer Umgang mit PP in der Aquaristik
Neben allgemeiner Informationsweitergabe ist dies meine Hauptmotivation für diesen Thread.
Eines ist mir klar: PP haben in meinem Aquarium nichts verloren!
Andererseits kann man einem Pflanzbecken nicht permanent alles Phosphat entziehen, indem man z.B. einen Phosphatabsorber dauerhaft (im Filter) betreibt.
Die Methode, das LW für den WW ca. 24 Std. in einem Speissfass über einen Phosphat-Absorber (sofern diese die PP überhaupt entfernen) vorzufiltern und anschliessend wieder mit PO4 aufzudüngen, scheitert wohl bei den meisten Aquarianern (bei mir jedenfalls) an der Wohnsituation.
Ohne nun def. zu wissen, ob JBL PhosEX ultra nun tatsächlich PP entfernt, teste ich gerade folgenden Kompromiss:
Nach dem WW gebe ich den Pflanzen 2-3 Tage Zeit, um sich mit dem PO4 aus dem LW vollzusaugen, und hänge dann über Nacht (12-15 Std) einen alten Rucksackfilter mit minimalem Durchlauf, gefüllt mit Filterwatte und PhosEX ultra an, in der Hoffnung, damit alles Rest-Phosphat und damit insbes. das PP zu entfernen.
Die Zeit wird zeigen, ob und wieviel das bringt.
Allerdings finde ich auch dies Methode auf Dauer sehr umständlich, da ja nach jedem Einsatz die Filterwatte gereingt werden und alles wieder trocknen muss. Auch ist meine Abdeckung für einen Rucksackfilter denkbar ungeeignet.
Schön wäre ein Mini-Topffilter mit minimalem Durchfluss (gibt es sowas?), der dann (am besten über Zeitschaltuhr) nur einmal die Woche laufen würde. Leider würde sich dann bei 1 Woche Stillstand sicherlich einiges an Giftstoffen im Filter ansammeln, die dann beim Starten ins Becken gepumpt würden
Über diesbzgl. Ideen würde ich mich riesig freuen!
Und da man von JBL leider nur widersprüchliche Aussagen ohne jede Nachvollziehbarkeit bekommt, wäre es toll, falls jemand genaueres zu JBL PhosEX ultra sagen könnte, also ob und ggf. wie es PP entfernt.
Auch fände ich es klasse, wenn sich hier ein paar Chemie-Experten zu Worte melden würden, die viell. noch einige Nebel lichten und Mutmassungen verifizieren bzw. widerlegen könnten.
Zuletzt noch eine dringende Ergänzung:
Die leidige Erfahrung aus anderen Foren hat gezeigt, dass oftmals Polyphosphate und Orthophosphat in einen Topf geworfen bzw. durcheinandergebracht wurden, und dadurch interessante Threads traurigerweise ad absurdum geführt wurden.
Ich hoffe sehr, dass mein Geschreibsel diesbzgl. klar und eindeutig ist, aber sicherheitshalber noch mal die Begriffsdefinition:
PP = Polyphosphat
OP = Orthophosphat "=" PO4
Phosphat = Gesamtphosphat = PP+OP
Insbes. die Aufphosphatierung zum Schutz des Leitungsnetztes ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr in Mode gekommen, und hier werden u.a. immer mehr sog. Polyphosphate zugesetzt, die (unabgekocht) generell gesundheitlich bedenklich sind (http://www.sw-augsburg.de/downloads/Phosphatdosierung.pdf), uns Aquarianer aber vor besondere Herausforderungen stellen.
Vorgeschichte
Seit meinem Umzug habe ich hier Geistererscheinungen in meinem Aquarium:
Seltsame Mangelerscheinungen, die sich mit den gemessenen bzw. errechneten Wasserwerten nicht erklären lassen, z.B. eingerollte Blattränder bei Hygrophila corymbosa, verdrehte Blätter bei Valisneria Spiralis, die eigentlich auf Calciummangel hindeuten würden, leicht fehlende Grünfärbung, die Eisenmangel vermuten liesse.
Besonders auffällig sind abrupte Wachstumsstockungen, mal bei der einen und mal bei der anderen Pflanze ohne irgendwelche Veränderungen am System und dass der sich in 20 Jahren in meinem Becken als extrem robust und anspruchlos erwiesene Javafarn innerhalb weniger Tage fast weggegammelt ist, als würde Kalium fehlen.
Ebenso unerklärlich ist plötzliches Auftauchen und Verschwinden div. Algen, und dass eine Grünalgenplage auf 2x wöchentl. je 45% mit kräftigem Wachstum reagiert hat, und erst durch drastische Reduzierung (Menge LW + Intervall) des WW zurück gegangen ist.
Ich führte die Erscheinungen also klar auf das Leitungswasser zurück. Hauptunterschied zum damaligen Wasser sind die höhere KH (5°->11,5°) und der Phosphatgehalt (0,2->2,0 mg/l).
Durch 50% UOW waren die meisten Werte dann dem früheren Wasser schon sehr ähnlich ... bis auf Phosphat.
Allerdings führte ich über den wöchentl WW gerade 0,22 mg/l (Gesamt-)Phosphat zu und habe ansonsten auf jede PO4-Zudüngung verzichtet. Hinzu kamen ja das Fischfutter und vermutl. Eisenphosphat-Ansammlungen im insbes. Bodengrund aus Zeiten ohne UOW und verstärktem WW (= verstärkter Phosphatzufuhr).
Der gemessene PO4-Wert lag dabei über Monate immer zw. ca. 0,5-0,7 mg/l
Schliesslich bin ich auf diesen Artikel (http://www.amazonas-alfeld.de/index_htm_files/Trinkwasser%20ist%20kein%20Aquariumwasser.PDF) gestossen und habe ich mich zwangsläufig mal mit dem Thema Polyphosphate auseinandergesetzt, und musste in Erfahrung bringen, dass die 2 mg/l Phosphat in meinem Leitungswasser fast 100% künstlich zugesetzt werden, und dass es zu 50% Polyphosphate sind.
Bei einer Karbonathärte von ca. 11,5 °dH wird hier von meinem Versorger das phosphatarme Ausgangswasser mit einem Pulver, einer Mischung aus Polyphospaht und Orthophosohat (="normales PO4") auf 2-2,5 mg/l Gesamtphosphat angehoben.
Der sehr informative Anruf bei meinem Wasserwerk ergab weiterhin, dass Polyphosphate bei kalkhaltigem Wasser heute standardmässig zugesetzt werden, um Leitungskorrosion zu verhindern (für moderne Kupfer- und Kunststoffleitungen aber nicht nötig - sogar kontraproduktiv).
Wer also stark kalkhaltiges Wasser hat, muss befürchten, dass Polyphosphate (meist vermutl. Natriumpolyphosphat) zugesetzt werden.
Generell weisen unsere LW normalerweise nur geringe Phosphatgehalte auf. Bei höheren Werten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass künstlich Phosphate zugesetzt werden.
Spätestens wenn die Analysen hohe Kalk- und Phosphatwerte gleichzeitig aufweisen, kann man vermutlich schon darauf wetten, dass auch Polyphosphate zugegeben werden.
Andere Aussagen im Web sagen übrigens das Gegenteil, dass Polyphosphate insbes. bei weichem Wasser eingesetzt werden.
(Aus)wirkung der Polyphosphate (PP)
Trotz endloser Web-Recherche habe ich hier kaum wirklich abgesicherte Fakten gefunden, so dass man das Folgende zumind. tw. als spekulativ bezeichnen muss:
1. PP "zerfallen" (chem. Reaktionen, unterstützt durch Bakterien) mit der Zeit zu gewöhnlichem Orthphosphat ("=PO4"). Lt. Angaben des Herstellers der Wasserzusätze bleiben sie ca. 6 Wochen stabil, und zerfallen ganz allmählich (also im Zeitraum von grob 4-8 Wochen nach Zugabe). Vermutungen gehen allerdings dahin, dass es im Aquarium durch entsprechende Bakterienpopulationsdichte schneller gehen kann.
Hierin liegt also schon ein erstes kleines Problem: Die völlig unkontrollierte Freiwerdung von PO4 im Aquarium.
2. Die Pflanzen sind nicht in der Lage, PP auszuschlüsseln und zu verstoffwechseln. Es gibt aber Vermutungen, dass Algen dazu ggf. in der Lage sind. Das einzige, was ich dazu allerdings gefunden habe, ist im Aufsatz von Kassebeer (9.) auf http://www.deters-ing.de/Gastbeitraege/Phosphat1.htm - allerdings nur in Bezug auf Bakterien.
3. PP werden von den üblichen PO4-Tests normalerweise nicht erfasst. Wenn wir also nicht gezielt (Erhitzen s.o.) danach suchen, haben wir gar keine Ahnung, was in unserem Becken eigentlich los ist.
4. PP werden insbes. mit dem Zweck zugesetzt, Kalk in Bindung zu halten. Es ist davon auszugehen, dass Biogene Entkalkung damit verhindert wird und die Pflanzen (z.B. Vallisneria) sich nicht mehr am Hydrogencarbonat bedienen können. Ob damit ggf. generell auch die Calciumaufnahme der Pflanzen gestört wird, habe ich leider nicht herausfinden können.
5. PP werden auch zugesetzt, um SE (insbes. Eisen!) zu maskieren, so dass man es im Leitungswasser weder sieht noch schmeckt. Es ist zu befürchten, dass diese "Maskierung" auch die Aufnahme durch die Pflanzen hemmt, obwohl eigentlich genug Eisen im Wasser vorhanden wäre.
5. PP verhindern in Kupferleitungen die schützende Oxidschichtbildung, so dass sich mehr Kupfer-Ionen aus den Leitungen ins Wasser lösen können, welches auf Fische und Pflanzen in höherer Dosis toxisch wirkt.
Insbes. zu 4) und 5) möchte ich folgende Erläuterungen aus http://www.garnelenforum.de/board/threads/polyphosphate-im-leitungswasser-aquariumwasser.80988/ zitieren:
Natriumpolyphosphat ...reagiert mit den Härtebildnern und anderen Stoffen im Wasser, dadurch wird dem Wasser Eisen, Calcium, Magnesium, Lithium, Barium usw. entzogen.
Nimmt man dieses ... als Aquarienwasser, kann ich mir schon vorstellen, dass es dann zu Algenproblemen kommen kann, denn das ... Natriumpolyphosphat reagiert dann mit allem weiter, was man so ins Wasser gibt.
Zum Beispiel Eisen- und Volldünger, bindet Eisen in schwer löslichem Eisenphosphat und setzt Na+ Ionen frei. Sehr wahrscheinlich, dass es dann zu einem Nährstoffungleichgewicht kommen kann.
Woher weiss ich, ob ich Polyphosphate im Wasser habe?
Bei Verdacht erstmal beim Wasserwerk anfragen. Vorzugsweise schriftlich!
Aber mit einem Trick können wir den Polyphosphatanteil auch näherungsweise selbst ermitteln:
Verifizieren kann man das über unsere Tröpchentests, die Polyphosphate normalerweise nicht erfassen, indem man das Wasser kurzzeitig auf 70-80° C erhitzt (und wieder abkühlen lässt!). Dabei fallen die Polyphosphate zu PO4 aus, und können gemessen werden. So haben wir dann das Gesamtphosphat ermittelt.
Eine Messung mit Wasser direkt aus der Leitung (diese misst dann nur das Orthophosphat), sollte dann zu der erhitzten Probe niedrigere Werte anzeigen.
Die Differenz ist dann der Polyphosphat-Anteil.
Selbst habe ich es einmal probiert, hatte aber leider keinen Erfolg (ggf. nicht lang genug erhitzt?) mit dieser Methode.
Entfernen der Polyphosphate
Gerade im Pflanzbecken, in dem PO4 ja als Pflanzennährstoff benötigt wird, ist eine dauerhaft vollständige Phosphatentfernung nicht erwünscht. Da mir keine Systeme bekannt sind, die ausschliesslich Polyphosphate entfernen, bleiben wohl nur Methoden, Phosphate vollständig zu entfernen, und dann erwünschtes PO4 wieder zuzudüngen.
Also erstmal Thema "Entfernung sämtlichen Phosphats":
1. Umkehrosmose
Trotz tw. gegenteiliger Aussagen müsste UO die PP komplett entfernen, da UO eine mechanische Filterung ist, die schon Orthophosphate fast 100%ig entfernt. Somit sollten die grösseren Polyphosphat-Moleküle auf jeden Fall ausgefiltert werden
2. Ionentauscher
Hier kenne ich mich wenig aus, aber Tauscherharze sollen die PP auch komplett entfernen. Nachteil ist, dass dadurch im Austausch bei den meisten gängigen Systemen Natrium und insbes. Chlorid zugegeben wird.
3. Phosphatentferner
Hier gibt es offenbar mehrere Systeme:
a) Die meisten (wie z.B. JBL PhosEx rapid, amtra Phosphat reduct), arbeiten auf Basis schnelllöslicher Eisenverbindungen, die sich dann dann mit den Phosphaten zu Eisenphosphaten verbinden, und (im Filter/Bodengrund) als "Schlamm" ausfallen. Wird dieser "Schlamm" nicht entfernt, kann es aber jederzeit zu Rücklösungen kommen.
b) Die Arbeitsweise von sog Phosphat-Absorbern, wie z.B. JBL PhosEx ultra, habe ich leider nicht in Erfahrung bringen können. Eine diesbzgl. Anfrage bei JBL bliebt leider unbeantwortet, und der Beipackzettel gibt leider NICHTS preis, ausser, dass es zu leichter KH-Härte-Erhöhung kommen kann, was vermuten lässt, dass PhosEx ultra auf einem Ionentauscher-Prinzip basiert.
c) der Vollständigkeit halber sei auch Zeolith aufgeführt, welches u.a. ebenfalls Phosphate nach dem Ionentauscher-Prinzip bindet.
Die Frage, ob und welche dieser Phosphatentferner auch Polyphosphate binden/tauschen/entfernen, konnte ich leider nicht abschliessend klären.
Bei den Eisenphosphatbildnern (a) sieht es so aus, als würden diese nur mit Orthophosphat in Bindung gehen, und zu Zeolith habe ich leider null Informationen in Bezug auf PP gefunden.
Bzgl. JBL PhosEx ultra schreibt Ulla Blessin-Bosch von JBL auf http://www.petnews.de/petnewscenter/aquaristik-channel/suesswasser/4947-misst-der-jbl-phosphat-test-sensitiv-auch-versteckte-phosphate:
Phosphatentferner (auch JBL PhosEX ultra) können Polyphosphate nicht einfach abbinden. Erst wenn die normale bakterielle Aktivität im Wasser die Polyphosphate zu „normalen“ Phosphaten umgewandelt hat, kann ein Phosphatentferner wirksam werden.
Meine Anfrage beim JBL-Support, u.a. bzgl. o.g. Zitats und der Arbeitsweise von JBL PhosEX ultra und JBL PhosEX rapid ergab leider nur folgende oberflächliche Antwort:
Sehr geehrter Herr ...,
machen wir es kurz und einfach:
PhosEx ultra bindet Poly- und Ortophosphate.
PhosEx rapid nur Ortophosphate und Polyphosphate nachdem diese nicht getrennt haben.
Ich hoffe, dass damit die Frage beantwortet ist. Natürlich helfen ich Ihnen bei weiteren Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias ...
Customer Service Manager
Hier werden also offenbar zwei völlig gegensätzliche Aussagen von JBL-Mitarbeitern gemacht, und die Bitte um weiterführende Informationen (Erklärung, Begründung) zur Belegung des Wahrheitsgehalts einer dieser Aussagen übergangen.
Was und wem soll man denn nun glauben??????
Ein Aquarium ist doch weder Kirche noch Moschee, oder?
Praktischer Umgang mit PP in der Aquaristik
Neben allgemeiner Informationsweitergabe ist dies meine Hauptmotivation für diesen Thread.
Eines ist mir klar: PP haben in meinem Aquarium nichts verloren!
Andererseits kann man einem Pflanzbecken nicht permanent alles Phosphat entziehen, indem man z.B. einen Phosphatabsorber dauerhaft (im Filter) betreibt.
Die Methode, das LW für den WW ca. 24 Std. in einem Speissfass über einen Phosphat-Absorber (sofern diese die PP überhaupt entfernen) vorzufiltern und anschliessend wieder mit PO4 aufzudüngen, scheitert wohl bei den meisten Aquarianern (bei mir jedenfalls) an der Wohnsituation.
Ohne nun def. zu wissen, ob JBL PhosEX ultra nun tatsächlich PP entfernt, teste ich gerade folgenden Kompromiss:
Nach dem WW gebe ich den Pflanzen 2-3 Tage Zeit, um sich mit dem PO4 aus dem LW vollzusaugen, und hänge dann über Nacht (12-15 Std) einen alten Rucksackfilter mit minimalem Durchlauf, gefüllt mit Filterwatte und PhosEX ultra an, in der Hoffnung, damit alles Rest-Phosphat und damit insbes. das PP zu entfernen.
Die Zeit wird zeigen, ob und wieviel das bringt.
Allerdings finde ich auch dies Methode auf Dauer sehr umständlich, da ja nach jedem Einsatz die Filterwatte gereingt werden und alles wieder trocknen muss. Auch ist meine Abdeckung für einen Rucksackfilter denkbar ungeeignet.
Schön wäre ein Mini-Topffilter mit minimalem Durchfluss (gibt es sowas?), der dann (am besten über Zeitschaltuhr) nur einmal die Woche laufen würde. Leider würde sich dann bei 1 Woche Stillstand sicherlich einiges an Giftstoffen im Filter ansammeln, die dann beim Starten ins Becken gepumpt würden
Über diesbzgl. Ideen würde ich mich riesig freuen!
Und da man von JBL leider nur widersprüchliche Aussagen ohne jede Nachvollziehbarkeit bekommt, wäre es toll, falls jemand genaueres zu JBL PhosEX ultra sagen könnte, also ob und ggf. wie es PP entfernt.
Auch fände ich es klasse, wenn sich hier ein paar Chemie-Experten zu Worte melden würden, die viell. noch einige Nebel lichten und Mutmassungen verifizieren bzw. widerlegen könnten.
Zuletzt noch eine dringende Ergänzung:
Die leidige Erfahrung aus anderen Foren hat gezeigt, dass oftmals Polyphosphate und Orthophosphat in einen Topf geworfen bzw. durcheinandergebracht wurden, und dadurch interessante Threads traurigerweise ad absurdum geführt wurden.
Ich hoffe sehr, dass mein Geschreibsel diesbzgl. klar und eindeutig ist, aber sicherheitshalber noch mal die Begriffsdefinition:
PP = Polyphosphat
OP = Orthophosphat "=" PO4
Phosphat = Gesamtphosphat = PP+OP