Moin,
Glaubst Du wirklich, die fast toten Pflanzen in den ganzen Hilfegesuche sind verhungert trotz der Menge an Düngern die dort zugegeben werden?
naja, ich lese die 1.Hilfethemen schon häufig so, dass wegen der üblichen Algenängste zögerlich bis hin zu viel zu wenig gedüngt wird.
Ich hatte mich vorab über die Düngung und deren Werte informiert, in dementsprechenden Aquascaping Kanälen wird noch deutlich mehr gedüngt - Andre hatte weiter oben auch empfohlen noch mehr PO4 zu düngen.
Das verunsichert mich echt total.
Kann man ja auch machen. Algen brauchen natürlich auch Nährstoffe und der allgemeine Irrtum besteht darin, dass Pflanzen als Nährstoffkonkurrenz betrachtet werden. Nur, das ist mittelprächtiger Unsinn, denn um Pflanzen ans Gedeihen zu bekommen sind in jedem Fall genug Nährstoffe auch für Algen vorhanden! Sinnvoller wird der Ansatz, wenn man den Biofilm in Konkurrenz zu Algen sieht. Man achtet also gar nicht auf die Algen, sondern darauf dass die Pflanzen vollversorgt sind und konkurriert die Algen über den Biofilm aus. Augenscheinlichstes Beispiel sind Kieselalgen. Tatsächlich ist es so, dass reichlich Kieselsäure Kieselalgen fördert, allerdings ist die Wirkung des Biofilms entscheidend ob die Kieselalgen sich durchsetzen können oder nicht. Deshalb sind Kieselalgen häufig in frisch eingerichteten Becken solange zu sehen bis sich ein - Achtung - geeigneter Biofilm etabliert hat! Das ist nämlich leider kein automatischer Selbstläufer und manchmal richtet sich der mehr oder weniger heterogen belebte Biofim mit den Kieselalgen als Bestandteil des Biofilms ein - und dann können auch Kieselalgen ziemlich hartnäckig werden.
Kieselalgen sind ein sehr geignetes Beispiel, denn die kann man auch über die Vermeidung von Silkat verhindern. Allerdings braucht es dann schon eine Wasseraufbereitung mit völliger Silikateliminierung, d.h. eine Demineralisierung per VEA oder UOA und wenigstens ein Mischbettharz hinterher. Mit so einem Wasser können die auch nicht mehr. Dieses Prinzip kann man allgemein mit allen Nährstoffen und Algen befolgen. Sascha (bocap) hat eine solche Betriebsweise ausführlich beschrieben. Ernährung nur über Soil, weitgehende Vermeidung von organischen Stoffen und ein ausgesprochen nährstoffarmes Wasser. Soil wird zur Nährstoffversorgung genutzt, das Wasser wird über eine extreme biologische Filterung (Seachem Matrix) und eine chemische Filterung (Purigen) algenfeindlich gemacht. Die haben keine Wurzeln, Pflanzen schon. Kann man bei Sascha sehen, funktioniert.
Mich interessierte allerdings immer mehr die andere Möglichkeit, nämlich der Biofilm bzw. die Mikroflora. Der ist variabel und entwickelt sich gemäß den Bedingungen. Das lässt sich durchaus in seiner Entwicklung beeinflussen, leider ist das nicht so offensichtlich, weil Mikroflora eine vielfältige Zusammensetzung verschiedener (Mikro-)Organismen ist und auch da gilt wie in reifen Ökosystemen, wie z.B. dem Regenwald, der beste Biofilm ist einer mit möglichst großer Diversität bei geringer Individuenanzahl/Spezies. Wenn sich einzelne Spezies durchsetzen, Cyanobakterien sind ein typischer Fall, dann ist was faul. Auch CB lassen sich direkt töten - oder auskonkurrieren.
Eine wesentliche Rolle spielt der Biofilm bei der Nährstoffverfügbarkeit und ist der Grund, warum gleiche Nährstoffgaben in einem Becken funktionieren und in einem anderen nicht. Filterung beinflusst des weiteren die Nährstoffe, Bodengrund auch. Letzteres ist übrigens der Grund, warum ich gewaschenen Quarzsand der Übersichtlichkeit halber verwende, denn das minimiert die Einflüsse auf Nährstoffe genauso wie eine nur mehr so geringe wie eben noch notwendige Filterung. In den hier üblichen Pflanzenbecken braucht es die grundsätzlich nicht. Das funktioniert schon mit ungedüngtem Sand so gut. Natürlich kann man den auch düngen oder Soil dazu verwenden, allerdings sehe ich keinen grundsätzlichen Vorteil in vorgedüngtem Soil, aber einen Nachteil: Es verbraucht sich. Sand geht ewig.
Tonige Soils sind ausgesprochen komplex in ihren Eigenschaften. Darüber sind umfangreiche Abhandlungen geschrieben worden. Keine leichte Kost! Und trotzdem werden die vorgedüngten Soils als eierlegende Wollmilchsau mit entsprechender Zielgruppe vermarktet. Sind sie nicht.
Ist schon interessant, wie das mit extremer biologischer Filterung oder auch völlig ohne zusätzliche Substratfilterung - das Becken ist sich mit allen von Mikroorganismen überzogenen Oberflächen häufig selbst genug "Filterung" - funktionieren kann. Die Ansätze sind so unterschiedlich wie die Betriebsweise.
Vielleicht ist es nun verständlicher, wenn Algen sowohl auf Nährstoffe, aber primär auf (die Qualität des) Biofilms reagieren.
An der Bedeutung der Mikroflora geht kein Weg vorbei, deshalb heißt der Thread in meiner Signatur auch "Die Pflege der Mikroflora oder ..." ... wie kriege ich meine Kiste zum Fliegen.
Gruß Nik