Hallo ihr beiden (Martin und unbekannt1984)!
Ich greife mir wieder wahllos ein paar eurer Gegenargumente zu meinen Ausführungen heraus (sorry, wenn meine Anwort etwas spät kommt und ich euch beide gleichermaßen anspreche, auch wenn nur einer den Gedanken geäußert hat):
1. Erstaunlich wie schnell ihr auf die Idee kommt, ich machte Werbung. Nein, ganz und gar nicht, das Konzept von Seachem (genauer, die riesige Besiedlungsfläche von Matrix) überzeugt mich. Was verstehst du, Martin, unter einem Werbespot? Meine Äußerungen zu optimalen Filtermedien?
2. Allein die Tatsache, dass offenbar ganz unterschiedliche Filterung/Filtermethoden erfolgreich sein können, hält das Thema spannend und rechtfertigt den evergreen Filterung und Filtermedien. So lange Testreihen mit wissenschaftlicher Methodik fehlen, sehe ich allen Grund, auch totgeglaubte Themata auszugraben und anzusprechen. Seid ihr die Themenwächter, die über Wohl und Wehe von Inhalten urteilen? An Streit ist mir nicht gelegen, ihr könnt glauben und machen was ihr für richtig haltet. Freuen würde ich mich aber über Quellenangaben zu wissenschaftlichen Arbeiten über aquaristisch relevante Themen. Sie sind bekanntermaßen rar.
3.
Zumindest sind wir uns einig, dass ein Aquarium (also eines, in dem der Tierbesatz nicht stirbt) nur mit aktiven Bakterien (den Richtigen!) und Mikroorganismen, und von beiden möglicht reichlich (zumindest so reichlich, dass Abfallstoffe nicht zum Tod oder zu Leid des Tierbesatzes führen), gut funktionieren kann. Oder seht ihr das auch anders? Wie kann man den Sinn möglichst großer Filtermedien-Oberflächen in Abrede stellen? Wo argumentiere ich hier schwarz und weiß? Ich rufe euch beiden auch ADA's Konzept einer intensiven Filterung (große Fläche, hoher Wasserdurchsatz) in Erinnerung.
4.
Stichwort NH4: Soweit ich Tom richtig verstanden habe, liegt der Algen induzierende Auslöser in der Verweilzeit des Ammoniums in der Wassersäule. Je schneller der bakterielle Umsatz (und je mehr Pflanzen), um so schneller wird NH4 umgewandelt in (ebenfalls) pflanzenverwertbares NO3. Hier kommt die Leistungsfähigkeit des Filters/des Filtermaterials wieder ins Spiel...
Und Pflanzen reagieren aufgrund ihrer Komplexität langsamer als simple Algenzellen (O-Ton TB), deswegen düngt man mit NH4 leider zunächst Algenzellen statt Pflanzen.
5.
Diana beschreibt Aquarien mit begrenztem Technikeinsatz. Dazu gehört u.a. geringe Beleuchtungsintensität, also das genaue Gegenteil von sog. Starklichtbecken. Leider hab ich ihr Buch "Ecology of the Planted Aquarium" vor Jahren verkauft, Details müsste ich wieder nachlesen. Ich hab sie namentlich ins Spiel gebracht, weil ihr Ansatz nicht viel mit scaping, hohen Beleuchtungsstärken, Düngung der Wassersäule und gedüngten soil Bodengründen (nicht Erde, die sie bevorzugt) zu tun hat. Es ging um den von dir, lieber Unbekannte, zitierten Satz von Diana, Pflanzen bevorzugten Ammonium als Stickstoffquelle. Klar, hab ich erwähnt, ist so richtig. Aber in einem kräftig beleuchteten scaper Becken ist eine Ammoniumdüngung (über die Wassersäule) kontraproduktiv, weil dadurch Algenwachstum getriggert wird. Ammonium im Substrat, welches mit mehreren Zentimetern feinem Kies (oder nicht zu feinem Sand) abgedeckt wird, ist selbstverständlich die Methode der Wahl (so lange das Substrat nicht aufgewühlt wird). Nochmal: In Starklichtbecken führt NH4 in der Wassersäule zu allen möglichen Algenarten. In Dianas low-tech Becken versorgt Erde die Pflanzen mit NH4, was offenbar sehr gut funktioniert (nicht nur in ihren Aquarien). Wir alle wissen, dass nicht nur Lichtintensität, sondern auch die Lichtlänge angemessen sein muss. "Ein paar Stunden Sonnenlicht" in Dianas Aquarien widerspricht nicht meinen Ansichten zu NH4 (im Bodengrund!) und der Entstehung von Algenwachstum unter NH4 in der Wassersäule.
6.
Ob Matrix nur "in geringem Maß" Nitrat (wie Seachem behauptet, und nur davon ist bei Seachem die Rede) oder stärker abbaut, ist irrelevant und unabhängig davon, was ich darunter verstehe. Wenn ich feststelle, dass neue Pflanzenblätter heller werden, habe ich zunächst einmal Nitratmangel in Verdacht und dünge davon einfach mehr. Und sollten auch andere Nährstoffe von Matrix abgebaut werden, dann davon ebenfalls mehr.
7.
Ich bin lange genug Aquarianer (ca. 60 Jahre lang), um zu wissen, wie dieses grüne, eklige und weitgehend unnütze Filtermaterial (das würde Diana niemals verwenden) aussieht. Grobfilterung würde ich damit widerstrebend machen, ja, ansonsten danke, nein! Dem Aquarianer kann die Industrie leider jede Menge überflüssigen Kunststoffmüll verkaufen, und dazu gehört dieses Material. Noch ein kleiner Tipp zu Messungen aquaristischer Parameter (Stichwort Eisen). Messungen mit aquaristischen Hobby kits sind nicht empfehlenswert, sie führen fast immer in die Irre, selbst dann, wenn sie ohne vorherige Eichung (zufällig) richtige Ergebnisse liefern. Es bleibt immer noch ein riesiger Bereich für Fehlinterpretation! Bitte versucht lieber, eure Pflanzen zu lesen und euch mit den typischen Mangelerscheinungen vertraut zu machen.
8.
Du, lieber Unbekannte, fragst nach Logik/dem Zusammenhang bei der Anwendung von Matrix, langem Urlaub und meiner Empfehlung, bei Ansammlung von Detritus auf Matrix einfach die Steinchen eher/früher Abzuspülen, wenn viel "Schlamm" entstanden ist: Matrix verliert allmählich seine Wirksamkeit, wenn die äußere Schicht mit abgestorbenem Material bedeckt wird. Bei mir dauert es je nach Filtersorte, Vorfilterung und Aufkommen toten Materials viele Wochen bis Monate bis ein Säubern erforderlich wird. Tipp: Man spült dann, wenn die Oberflächen nicht mehr zu sehen sind, oder aber (bedenkenlos) viel früher, denn die Arbeit der Mikroorganismen findet fast ausschließlich im Inneren statt. Ein intensives Waschen in Aquariumwasser schadet den Organismen überhaupt nicht.
9.
Wenn die riesige Materialoberfläche Nährstoffe schlucken sollte, dann erhöhe doch bitte die Düngung, s.o. Jedes Aquarium erfordert Fingerspitzengefühl und ein Herantasten an geeignete Düngermengen, bei denen weder Algen wachsen noch Nährstoffmängel erkennbar werden (oder gar das Wachstum stagniert, was in jedem Falle vermieden werden muss).
Eine Patentlösung kann es für solch komplexe Systeme, wie es ein Aquarium darstellt, nicht geben. Weniger Filterleistung ist sicher kein geeigneter Weg, um Algenwachstum zu vermeiden. Weniger Änderungen des Systems aber sehr wohl. Konstanz der Parameter ist eines der erstrebenswertesten Ziele, auch wenn die Wasserwerte nicht optimal sein sollten. Lebewesen benötigen Zeit, um sich an einen status quo anzupassen, jede Änderung schluckt erneut Adaptationsenergie (z.B. für die Ionenregulation). Nur in diesem Sinne ist deine Interpretation von besserer Wasserqualität (durch weniger Änderungen) richtig. Konstanz der Wasserparameter ist unglaublich wichtig, und zwar für alle Lebewesen unter Wasser. Punktuelle Rotalgenbekämpfung mittels Glutaraldehyd sollte jedem Aquarianer bekannt sein, für genauso wichtig erachte ich allerdings auch passende Wasserparameter und, nochmal, deren KONSTANZ.
VG, Detlef